Karneval ist eine todernste Sache

Gedanken zur fünften Jahreszeit

Es ist Karneval. Alaaf und Helau, ihr Jecken, liebe Närrinnen und Narren! Moin aber auch an alle, deren Verhältnis zum Fasching eher zwiegespalten ist. So wie meins. Als Kind fand ich den Fastelovend noch super. Bis ich aus Niedersachsen in die Nähe von Köln zog und merkte: Karneval ist eine todernste Sache! Komisch eigentlich, denn Frohsinn und Humor haben einen hohen Stellenwert in meinem Leben. Aber vielleicht ist genau das mein Problem …

Während ich diesen Artikel schreibe, regnet es. Natürlich. Außerdem bläst ein ordentlicher Wind. Typisches Karnevalswetter also. Wer, frage ich mich deshalb auch in diesem Jahr nicht ohne einen roten Funken Anteilnahme, ist so jeck (sprich: verrückt) und stellt sich freiwillig stundenlang an die Straße, um mit Sachen beworfen zu werden? Die Antwort liefert diese Frage, gespickt mit kölscher Mundart, freilich gleich mit …

Winter austreiben

Nun könnte man sagen, ist doch super, dass Menschen trotz Sturms und Nässe gemeinsam feiern. Karnevalisten lassen sich von einem Tiefdruckgebiet doch nicht vorschreiben, wo sie zu schunkeln haben! Es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kostüme.

So weit, so gut. Mich zwingt ja auch keiner. Außerdem sollen sie ihn ruhig austreiben, den nasskalten Winter. So will’s der Brauch, und mir als Sommermensch kann das nur recht sein.

Beitragsbild zum Artikel "Karneval ist eine todernste Sache" von Christine Piontek

Fröhlichkeit auf Knopfdruck

Warum also ist Karneval für mich eine todernste Sache? Mein Problem – neben Menschenmengen, langen Schlangen vorm Klo bei hohem Blasendruck und der Tatsache, dass ich entweder friere oder schwitze – ist die Fröhlichkeit auf Knopfdruck.

11 Uhr 11 ist die magische Zahl, die alles in Gang setzt. Plötzlich drehen alle durch. Und am Aschermittwoch ist alles vorbei. Ist Ausgelassenheit, die man so an- und ausknipsen kann, überhaupt echt? Wenn ich Leute an Karneval herumalbern sehe und zwei Wochen später merke, dass sie die Stange Kölsch in der Hand gegen einen Stock im Allerwertesten getauscht haben, meine ich die Antwort zu kennen. Und das ist doch schade?! Schließlich ist Lachen gesund und Humor ein probates Mittel gegen die ein oder andere Unbill des Alltags.

Ein Gläschen in Ehren …

Dann wäre da noch der Ausnahmezustand mit Ansage, der bisweilen dafür sorgt, dass an Karneval der Spaß aufhört. Vielleicht hat er was mit dem Verzicht zu tun? Erst die Fastnacht, dann die Fastenzeit. 40 Tage bis Ostern, ab Aschermittwoch. Und was machen Menschen bei drohender Verknappung? Richtig! Sie schlagen nochmal ordentlich zu. Und dabei nicht selten über die Stränge.

An Karneval ist es weniger das Toilettenpapier, das enorme Begehrlichkeiten weckt. Obwohl ein kleiner Vorrat hier bisweilen sehr nützlich sein kann. Es ist, so scheint es, vielmehr die Aussicht auf Abstinenz. Natürlich gibt es genug Menschen, die gerne das ein oder andere Glas trinken und dabei ihr Limit kennen. Das sind in der Regel auch die Jecken, die einen Zoch (Straßenumzug) genießen können, ohne Kinder aus dem Weg boxen zu müssen, um ihre eigenen Tüten mit Kamelle zu füllen. Die mag ich, das möchte ich ausdrücklich betonen!

Aber da sind eben auch diese trittbrettfahrenden Arschlöcher, die Karneval als großes Saufgelage sehen, bei dem man endlich ganz offiziell die Sau rauslassen und an Hauswände pinkeln kann. Mehr noch! Die sogar – vorgestern erst gelesen – hinter Lebensmittelläden in Parkhäuser kacken. Tschuldigung, wenn ich das hier so in aller Deutlichkeit sage, aber diese pullernden, pupenden Pappnasen gehören an den Pranger. Von „ein Gläschen in Ehren“ kann da keine Rede sein!

Serviceteil: Plattentipp

So oder so: Alkohol gehört dazu. Und wenn ich mir überlege, wie ich es in einer Kneipe aushalten soll, wenn gerade zum dritten Mal „Ich hab drei Haare auf der Brust, ich bin ein Bär“ läuft – dann drängt sich auch mir ganz schnell der Gedanke an ein Gläschen auf, das mich vergessen lässt …

Alternativ könnte ich natürlich den Wirt fragen, ob er zur Abwechslung mal das Album „Images and Words“ von Dream Theater spielt. Dazu würde ich nämlich auch nüchtern abfeiern! Müsste das dann aber wahrscheinlich draußen und alleine tun. Spaßbremsen!

(An dieser Stelle und diesbezüglich liebe Grüße an meinen Freund Ralf, der bestätigen wird, dass ich kein miesgelaunter Partymuffel bin – falls hier Zweifel an meiner grundlegenden Feiertauglichkeit aufkommen sollten! Und auch mein Artikel zum 25. Abiturjubiläum ist da vielleicht ganz hilfreich.)

Stimmuuuuung!

Wo war ich? Ach ja. Schlimme Musik. Alkohol. Und das Argument eingefleischter Karnevalisten (haha*), das mir schon öfter begegnet ist: „Ach was, mit ein paar Kölsch intus wird das richtig lustig!“

Von wegen! Sonst würden ja nicht so viele immer und immer weiter trinken, oder?! Vielleicht ist ja auch das eine Erklärung für den bisweilen maßlosen Alkoholkonsum: „Boah, was ist das albern hier! Ich trink einfach noch ein Kölsch, dann wird es bestimmt besser. Nee! Mist!! Vielleicht doch noch nen Schnaps …!“ (Kölsch übrigens: Schabau – so wie in „Schab au Kopfschmächzen“)

Wie dem auch sei: Ich freue mich über den obigen Einwand. Denn er bringt mich zu einem wichtigen Punkt. Des Pudels Kern, für die Goethe-Fans hier:

Was ist das bitte für eine merkwürdige Veranstaltung, die ich mir erst schöntrinken muss?! Ist man nicht automatisch ausgelassen und fröhlich, wenn das Umfeld stimmt? Das wäre übrigens ein Umfeld, in dem ich keine Angst haben muss, dass mir irgendeine widerliche, kriminelle Sackratte, die Narrenfreiheit mit grenzenloser Respektlosigkeit verwechselt, K.O.-Tropfen ins Getränk mischt – auch etwas, das (nicht nur) Karneval zur todernsten Sache macht. Aber würde jetzt zu weit führen …

Ich lasse mir doch nicht von jemandem, der gerade versucht, mit Hilfe kleiner Stangen obergärigen Bieres unterjährig gehortete Spaßreserven zu mobilisieren, kalendarisch bedingte Fröhlichkeit aufoktroyieren!

Ich will keine Lizenz zum Tröten!

Um ausgelassen zu sein, will ich keinen Alkohol trinken müssen. Muss ich übrigens auch nicht. Ich bin von Natur aus ein bisschen jeck, quasselig und zu Späßen aufgelegt – was die Menschen um mich herum nicht selten erheitert und mir deshalb auch nicht peinlich ist. Im Gegenteil. Ich freue mich, wenn ich jemanden zum Lächeln oder gar Lachen bringen kann.

Deshalb brauche und will ich weder ein Kostüm als Hinweis „Achtung, heute bin ich lustig“ noch eine karnevalistische Lizenz zum Tröten! Und schon gar nicht lasse ich mir von jemandem, der gerade versucht, mit Hilfe kleiner Stangen obergärigen Bieres unterjährig gehortete Spaßreserven zu mobilisieren, kalendarisch bedingte Fröhlichkeit aufoktroyieren. So!

Am Aschermittwoch ist alles vorbei. Warum eigentlich?

Humor hat bei mir an 365 Tagen im Jahr eine Daseinsberechtigung. Ich möchte immer singen und tanzen dürfen, statt mich auf 6 kalte, nasse Tage zu beschränken, an denen ich mich und meine gute Laune in eine überfüllte Kneipe quetschen muss! Und während so manch rheinische Frohnatur am Aschermittwoch wieder zum Lachen in den Keller geht (schon das ist ja paradox!), halte ich es hoffnungsvoll mit Heinrich Lohse aus Loriots „Pappa ante portas“ und frage: „Kann ich auch oben bleiben?“

Ganzjährig Konfetti!

Mein Fazit: Karneval ist nur dann eine todernste Sache, wenn er verbissen gefeiert wird. Wer glaubt, die ganze Ausgelassenheit auf einmal verpulvern zu müssen, wirkt einfach nicht glaubwürdig. Wer sich dagegen erlaubt, ganzjährig den Teamspirit „echter Fründe“ zu bewahren, trägt in meinen Augen dazu bei, den tollen Tagen den faden Beigeschmack zu nehmen.

Meine Bitte: Schämt euch niemals dafür, ausgelassen und fröhlich zu sein! Manchmal habe ich das Gefühl, Contenance sei alles, um ja nicht unseriös, kindisch oder unprofessionell zu wirken. Aber dafür ist das Leben doch viel zu kurz und oft schon schwer genug. Gute Laune, die von Herzen kommt, kann niemals schlecht sein. Sie trägt allenfalls dazu bei, die Welt ein bisschen besser zu machen!

Zu guter Letzt: Wenn ihr zu den glücklichen Menschen gehört, die sich das Lachen nicht zusammen mit der Schminke aus dem Gesicht gewischt haben, und der Meinung seid, eure Texte könnten ein bisschen mehr verbales Konfetti vertragen, dann …

* Tä täää, tä täää, tä täää! Kommt, der war nicht sooo schlecht. Karneval von „carne levare“ = Fleisch wegnehmen. Oder auch „carne vale“ = Fleisch, lebe wohl! So die sprachforschende Theorie.

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